Hernienchirurgie
Allgemeines
Der Mensch hat in der Leiste einen Kanal, der durch die Bauchmuskulatur gebildet wird. Durch diesen Kanal läuft beim Mann der Samenstrang mit den begleitenden Blutgefässen, bei der Frau verläuft hier das Halteband der Gebärmutter.
Kommt es zu einer Schwächung der Bauchmuskulatur, erweitert sich der Kanal und es können Baucheingeweide von innen nach aussen hervortreten und als Vorwölbung tastbar und sogar sichtbar werden.
Ein Leistenbruch kann im Laufe der Zeit an Grösse zunehmen, Dies geschieht häufig bei Erhöhung des Bauchinnendrucks, wie zum Beispiel beim Husten, Niesen oder beim Pressen.
Der Leistenbruch tritt oberhalb des Leistenbandes aus, er kann beim Mann bis tief in den Hodensack reichen (sogenannter Hodenbruch).
Männer sind beim Leistenbruch weitaus deutlicher betroffen als Frauen. Das Geschlechtsverhältnis Mann zu Frau beträgt ungefähr 8:1. Dies ist durch die Hodenwanderung während der Embryonalzeit zu erklären. Der Hoden befindet sich zunächst im Bauchraum und durchwandert in dieser Zeit die Bauchdecke und hinterläßt eine sogenannte "Sollbruchstelle".
Zahlreiche Risikofaktoren können die Leistenbruchentstehung fördern. Hier sind besonders genetische Faktoren (Gibt es in der Familie bereits Bauchdeckenbrüche?) und das Rauchen ("Streß" für die Bauchdecke durch chonischen Husten, negativer Einfluss des Nikotins auf die Kollagensynthese) als Ursache zu nennen.
Leistenbruch
Wie wird ein Leistenbruch diagnostiziert?
Ein Leistenbruch (Leistenhernie) ist nicht immer vom Patienten bereits im Spiegel erkennbar. Die ärztliche Untersuchung der Leiste erfolgt in der Regel im Stehen und Liegen, wobei der Patient zum Pressen oder Husten aufgefordert wird.
Wenn die klinische Untersuchung zur Diagnostik eines Leistenbruches nicht ausreicht, kann in manchen Fällen eine Ultraschalluntersuchung ("dynamische Sonographie") erforderlich sein.
Welche Arten von Leistenbrüchen gibt es?
Man unterscheidet prinzipiell je nach Lokalisation mediale ("direkte") und laterale ("indirekte") Leistenbrüche. Nicht selten gibt es Mischformen und sogenannte “kombinierte” Leistenbrüche, wo es neben einem medialen auch einen lateralen Bruchanteil gibt.
Die Klassifikation eines Leistenbruches erfolgt nach den Richtlinien der Europäischen Herniengesellschaft (EHS-Klassifikation = European Hernia Society Classification).
Diese Einteilung ist gemeinsam mit dem Anforderungs- und Risikoprofil des Patienten sowie dem Patientenwunsch richtungsweisend bei der Auswahl des OP-Verfahrens.
Muss ein Leistenbruch immer operiert werden?
Kleine Leistenbrüche mit nur flacher Vorwölbung (Ultraschalldiagnostik), insbesondere bei jüngeren Patienten, die keinerlei Beschwerden oder Schmerzen haben, sind eher ungefährlich. Hier ist ein Abwarten im Sinne eines “watchful waitings” möglich.
Obwohl die meisten Leistenbrüche ungefährlich sind, können sie jedoch jederzeit zu einer Einklemmung der Baucheingeweide führen, was eine bedrohliche Komplikation darstellt. Dies ist nicht nur äusserst schmerzhaft, sondern stellt einen Notfall dar und muss unverzüglich operiert werden!
Wann ist der richtige Zeitpunkt für eine Operation?
Grundsätzlich stellt ein Leistenbruch, der bereits sicht- oder fühlbar ist, eine OP-Indikation dar, auch wenn er noch keine Beschwerden verursacht. Statistisch gesehen ist die Gefahr einer ernsthaften Komplikation ("Einklemmung") zwar eher gering, aber die Erfahrung zeigt, dass sich die Bruchlücke und der Bruchsack mit der Zeit vergrößern (Stichwort: Bindegewebsschwäche). Und ein größerer Befund bedeutet natürlich auch einen größeren Aufwand bei einer Operation. Daher empfehlen wir bei einem eindeutig vorliegenden Leistenbruch eine zeitnahe Operation.
Welche Operationsverfahren gibt es?
Grundsätzlich unterscheidet man zwischen offenen oder endoskopischen OP-Verfahren. Offen bedeutet, dass der Zugang zur Leiste über einen Hautschnitt erfolgt, der in der Regel 5-6 cm lang ist. Bei den endoskopischen Verfahren werden in der Regel mehrere kleinere Hautschnitte angelegt.
Desweiteren besteht die Unterscheidung, ob die Bruchlücke mit einer Naht verschlossen wird, oder ob zur Verstärkung des Leistenkanals ein Kunststoffimplantat ("Netz") verwendet wird.
Die klassische Hernienversorgung nach Shouldice (Nahtverfahren) galt bis zum “Durchbruch” der Netzverfahren in 1990er Jahren als “Goldstandard” in der Hernienchirurgie. Mittlerweile hat sich der Verschluss der Bruchlücke mit einem Kunststoffnetz als Standardverfahren etabliert. Da es verschiedene Arten von Leistenbrüchen gibt (große und kleine, mehr innen oder mehr außen liegende Brüche) gibt es auch verschiedene Kunststoffnetze (in unterschiedlichen Größen und unterschiedlichen Formen und aus unterschiedlichen Materialien). Während der Operation zeigt sich, welches Netz bzw. welches OP-Verfahren für den jeweiligen Patienten individuell am besten geeignet ist. Das nennt man eine maßgeschneiderte Versorgung ("taylored approach").
Die Leistenbruch-Versorgung mit Kunststoffnetzen hat gegenüber den herkömmlichen Nahtverfahren mehrere entscheidende Vorteile: nach der Operation relativ wenig Schmerzen (durch spannungsfreie OP-Technik), schnelle Rückkehr zur normalen körperlichen Belastung und ein deutlich reduziertes Risiko für die erneute Ausbildung eines Leistenbruches ("Rezidiv").
Nichtsdestotrotz kann es im Einzelfall auch nötig sein, auf ein OP-Verfahren ohne Kunststoffnetz zurückzugreifen (z.B. wenn es der ausdrückliche Wunsch des Patienten ist).
Endoskopische Operationen erfolgen in Deutschland zumeist unter stationären Bedingungen. Im globalen Vergleich etwa 20% der Operationen endoskopisch. Bei endoskopischen Verfahren erfolgt die Hernienversogung stets mit einem Kunststoffnetz und in der Regel über 3 kleine Schnitte in der Bauchdecke (meist Nabel, linker und rechter Unterbauch). Endoskopische Verfahren ohne Einsatz eines Netzimplantats gibt es für erwachsene Patienten nicht. Die Verankerung des Netzes im Gewebe erfolgt durch Tacker, Kleber, selbsthaftende Netze oder ohne Fixation.
Sie haben Fragen rund um die Themen Bauchwandhernie und Operation?
Ob ambulant oder stationär, offen oder endoskopisch, mit oder ohne Netz - wir beraten Sie gerne!
Was erwartet Sie bei einer Operation?
Wir bieten wir unseren Patienten die ambulante Versorgung von Bauchdeckenhernien aller Art (Leistenhernien, Nabelhernien, epigastrische Hernien, Narbenhernien) mit oder ohne Netzimplantation. Der Aufenthalt in unserer Praxis beträt etwa drei Stunden. Die Operation wird in Vollnarkose durchgeführt, daher müssen Sie nüchtern sein, wenn Sie zur OP kommen (6 Stunden vor der OP nichts essen und trinken).
Nach der OP müssen Sie von einer Begleitperson abgeholt werden, denn Sie dürfen nach einer Vollnarkose 24 Stunden nicht aktiv am Straßenverkehr teilnehmen. Am OP-Tag sollten Sie zuhause nicht alleine sein.
Und wie geht es nach der Operation weiter?
Nach der Operation können Sie zuhause leichtverdauliche Kost essen. Sie sollten in jedem Fall viel trinken (Wasser und Tee), denn nach einer Operation besteht immer ein erhöhter Stoffwechsel.
Grundsätzlich sollten Sie nach einem operativen Eingriff nicht rauchen, da das Rauchen einen negativen Effekt auf die Wundheilung hat und es vermehrt zu Wundheilungsstörungen kommen kann. Außerdem löst das Rauchen oft einen Hustenreiz aus, der zumindest in der Anfangsphase nach der Operation schmerzhaft sein dürfte.
In den ersten Tagen nach der Operation ist insbesondere bei Bewegung sowie beim Husten und Pressen ein Wundschmerz zu erwarten. Wir empfehlen daher in dieser Zeit eine regelmäßige Schmerzmitteleinnahme. Die meisten Patienten benötigen nach etwa 4 Tagen keine Schmerzmittel mehr.
Nach der Operation kann im Bereich um die Narbe herum ein Tabheitsgefühl auftreten. Diese ist aufgrund der möglichen Verletzung von kleinen Hautnerven im OP-Gebiet kaum zu vemeiden. Darüber hinaus haben zahlreiche wissenschaftliche Studien gezeigt, das im Einzelfall möglichen chronischen Schmerzen durch eine bewusste Durchtrennung von Nervenästen im OP Gebiet vorgebeugt werden kann.
Umschriebene Schwellungen und Blutergüsse im OP-Gebiet, die sich auch gelegentlich bis in die Schamregion verteilen und beim Mann ggf. auch zu Verfärbungen von Hoden oder Penis führen können, sind in den meisten Fällen ungefährlich und bilden sich in der Regel nach von 1-2 Wochen wieder zurück.
Bei der Versorgung des Leistenbruches mit einem Fremdmaterial (Kunststoffnetz) entstehen Schwellungen bisweilen auch erst nach 1-2 Wochen. Auch dies ist meist normal und mit einer verstärkten Flüssigkeitseinlagerung in der OP-Region als Fremdkörperreaktion zu erklären. Diese in der Regel schmerzfreien Schwellungen oder Verhärtungen im Op Gebiet können gelegentlich bis zu 6-8 Wochen anhalten und bauen sich langsam von selbst ab. Wie empfehlen, die operierte Körperregion in der ersten Woche täglich 5-6 mal für jeweils 10 Minuten mit einem Coolpack zu kühlen. Nur in seltenen Fällen wird bei uns zur Ableitung von Wundsekret oder Blut eine Drainage eingebracht, welche in der Regel nach 2 Tagen wieder entfernt wird. Bereits 48 Stunden nach der Operation können Sie wieder duschen.
Wie lange kann man nach einer OP nicht arbeiten?
Dies hängt im Einzelfall natürlich von mehreren Faktoren ab, z.B. von der Bruchgröße, dem OP-Verfahren und nicht zuletzt auch von der Art der Arbeit. Durchschnittlich beträgt die Dauer der Arbeitsunfähigkeit bei unseren Patienten 2 Wochen. Wobei jemand mit einer weniger anstrengenden Arbeit eher ein paar Tage früher wieder einsatzbereit ist, als derjenige mit einer schweren körperlichen Tätigkeit.
Nabelbruch